Das Ende der bewährten Praxis

Bisher sah es beim Arzt aus wie...na ja, eben wie beim Arzt. Neuerdings aber glänzen medizinische Einrichtungen gern mit Einrichtung. Und dabei geht es um weit mehr als nur um Imagepflege.

 

Die Ärzte haben die neuen Zeiten erkannt, sie denken zunehmend wie Unternehmer, nicht mehr wie Halbgötter: Sie müssen um Patienten werben, die mehr und mehr zu Kunden werden. Wie andere Unternehmer feilen Ärzte nun an ihrem Image, verschönern Praxisschild, Briefpapier, Homepage, veranstalten Events, beauftragen Inneneinrichter und Architekten. Auch Thomas Pröbstle hat für seine Eröffnungsparty Info-Mappen drucken lassen, darauf ein Logo: »Proebstle-Inspiration at work«, und ein Schriftzug: »We are doctors, we think, we create, we express.« Er sagt: »Viele verlangen heute den besten Arzt und dazu die perfekte Praxis. Ich biete ultramoderne Verfahren: Das soll man meiner Praxis ansehen.«

Bis vor Kurzem aber spielte der deutsche Patient da nur ungern mit. Er hielt eine Praxis, die nicht aussah wie eine Kreissparkasse von 1976, für unseriös und misstraute ihr: Lifestyle und Medizin, das ging nicht zusammen. Die Zeiten haben sich geändert und mit ihnen die Ärzte: Thomas Pröbstle zum Beispiel hat wie viele seiner Kollegen in den Achtziger- und Neunzigerjahren studiert, als der Siegeszug des Designs selbst die Zahnbürsten erreichte; sie haben im Ausland moderne Praxiskonzepte gesehen und wissen, dass Wartezimmer, die an eine Wellnesslandschaft erinnern, nicht automatisch einen
Widerspruch zu guter, seriöser Medizin bedeuten müssen.

Viele Privatpraxen sehen inzwischen so durchdesignt aus. Aber viele Facharztpraxen für Kassenpatienten eben auch: Die Berliner Zahnarztpraxis KU 64, zum Beispiel - deren Patienten zu über 60 Prozent gesetzlich versichert sind. Ihr Name, eine Abkürzung der Adresse Kurfürstendamm 64, erinnert an einen Club, die Einrichtung auch: Kaminzimmer, Dachterrasse, Bar. Dazu raumhohe, orangefarbene Wellen, die aus Boden und Wänden ragen, eine Art Dünenlandschaft. Der Inhaber Stephan Ziegler, 47, hat für die Gestaltung die Berliner Architekten von Graft gewinnen können, die berühmt wurden, als sie für Brad Pitt ein Haus entwarfen. Auf der Dachterrasse gibt es Strandkörbe, am Kamin Videospiele und Liegebuchten mit Musik aus Kopfhörern. Kinder zahlen eine Flatrate zwischen fünf und 15 Euro im Monat: dafür können sie, bis sie 18 sind, so oft kommen wie nötig. Diese Mischkalkulation lohnt sich, weil kleine Kinder in der Regel noch gute Zähne haben. Die Praxis hat überdies abends und am Wochenende geöffnet.

 

Vor vier Jahren eröffnet, hat KU 64 heute 20 000 Patienten und ist damit eine der größten Zahnarztpraxen Deutschlands. Stephan Ziegler, der Inhaber, sagt, die Leistungen in seiner Praxis seien nicht teurer als anderswo. Aber: »Wenn ich eine außergewöhnliche Umgebung schaffe, kommen die Patienten lieber zu uns, als zu anderen.« So rechnet sich das.

 

Quelle: Kerstin Greiner für Süddeutsche Zeitung Magazin, Nummer 21, 22. Mai 2009

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